Die professionelle Haltung ist ein elementarer Faktor für erfolgreiche pädagogische Arbeit, soweit besteht Einigkeit. Sobald man sich aber mit dem Begriff auseinandersetzt, wird klar: So richtig kann niemand sagen, was die pädagogische Haltung eigentlich ist. bzw. sein soll. Und woran liegt das? Unter anderem mit Sicherheit daran, dass Haltung etwas mit der Persönlichkeit zu tun hat und somit immer etwas Individuelles hat. Haltung entwickelt sich, sie ist nicht beständig, man kann sie nicht für alle Zeiten festschreiben. Haltung ist kein Konzept, man kann sie nicht lehren. Sie entsteht durch Erfahrung und Biografie und – das ist ganz wichtig – sie entwickelt sich auch immer weiter. Ich habe vor 5 Jahren nicht so gedacht, gesprochen und gehandelt wie heute – Du etwa? Aber wenn gar nicht so richtig klar ist, was Haltung eigentlich ist und wenn wir alle unsere eigene Haltung entwickeln, lohnt es sich dann überhaupt über Haltung zu sprechen? Kann man etwas Allgemeingültiges sagen? Ist sie jetzt eine unbedingt nötige Ressource pädagogischer Fachkräfte? Oder ist sie eher ein konstruiertes Phänomen, das den Fachkräften noch mehr Arbeit machen soll? Ging doch bisher auch immer ohne dieses ständige Reflektieren.
Prof. Dr. Claudia Solzbacher schreibt „Aus heutiger Sicht ist theoretisch und empirisch noch weitgehend ungeklärt, was unter Haltung überhaupt zu verstehen ist, wie man sie erwirbt, ob sie veränderbar oder gar lehrbar ist.“[1] Aus diesem Grund wähle ich in meinen Seminaren zum Thema Haltung gerne drei folgenden Begriffe. Selbstkompetenz, Werte und Botschaft. Gehen wir sie einmal durch und beginnen mit dem Begriff der Selbstkompetenz. Der impliziert eben, dass es um die Arbeit an sich geht und das passt eben. Ich muss nicht zwingend etwas lernen, ich möchte aber lernen, wie ich an mir selbst arbeiten kann, um bestmöglich mit Kindern zu arbeiten. Meine Arbeit findet unter dem Motto „glücklich sein & glückliche Kinder erziehen“ statt, weil ich davon überzeugt bin, dass es zunächst wichtig ist, mich um mich selbst zu „kümmern“, um mich um die Kinder „kümmern“ zu können. Es geht also um Selbst-Bewusstsein, Selbst-Regulation, Selbst-Fürsorge und außerdem – ganz wichtig – die Selbst-Kenntnis. Die Selbst-Kenntnis lässt sich schön ergänzen durch den Begriff Werte, denn die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten bedeutet für mich: Ich lerne mich überhaupt erstmal kennen. Wenn ich meine Werte kenne, dann kann ich an ganz vielen Stellen viel einfacher verstehen, WARUM ich bestimmte Verhaltensweisen jetzt super oder problematisch finde. Denn – und das wird nach meiner Erfahrung häufig vergessen: Es geht auch nicht nur um die Haltung gegenüber den Kindern. Erst kürzlich habe ich mit einigen Tagesmüttern gearbeitet und hier ist die Haltung gegenüber den Familien und den von ihnen gewählten Lebensentwürfen so entscheidend. Wenn eine Mutter ihr 6 Monate altes Baby zu einer Tagesmutter bring und die Tagesmutter diese Entscheidung verurteilt – weil sie vollkommen ihren Werten und ihren Vorstellungen eines Familienlebens widerspricht – dann beeinflusst diese Haltung die Beziehung zu den Eltern und natürlich auch unweigerlich die Beziehung zum Kind. Wird es unbewusst vielleicht mitleidig behandelt? Aus diesem Beispiel resultiert vielleicht die Frage: Soll ich mit allen Menschen und ihren Entscheidungen einverstanden sein, um eine professionelle pädagogische Haltung zu haben? Nein! Es ist aber wichtig, dass ich erkenne, warum es mit dieser Familie evtl. konflikthaft ist. Und hier hilft wie gesagt nach meiner Erfahrung ungemein die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten. Prof. Dr. Julius Kuhl schreibt „Haltung zeigt sich als ein individuelles und stabil integriertes Muster von Einstellungen, Werten und Überzeugungen, das durch einen authentischen Selbstbezug und objektive Selbstkompetenzen zustande kommt.“[2] Er schreibt außerdem von einem inneren Kompass, der einen sicheren Kurs in der Pädagogik aber auch übergreifend ermöglicht.
Oder auch: Wer bin ich und was mache ich eigentlich hier?
Für mich ist dieser innere Kompass besonders wichtig, wenn es um das Thema Haltung geht. Er zeigt nämlich, dass es nicht nur im Sinne der Kinder ist, sich mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen, sondern dass wir selbst an Sicherheit gewinnen.
Ich begleite gerade ein Kita-Team von der ersten Einstellung bis zur Eröffnung und besonders die Berufseinsteigerinnen wollten in unserer ersten Teamentwicklung gerne viele einzelne Szenarien genauestens beschrieben haben. Was mache ich, wenn xy? Und was wenn Z? Aber wenn dann doch abc? Die Leitung war zunächst bemüht zu erklären, wie SIE in diesen Momenten reagieren würde, doch dann kamen wir zu dem Punkt: Wir werden die Fachkräfte nicht auf jede Eventualität vorbereiten können. Es werden spontane Reaktionen notwendig sein und DAFÜR ist es wichtig die Haltung zu kennen. D.h. Haltung hat auch etwas mit Zielen zu tun und für mich immer ganz wichtig: mit der Botschaft, die vermittelt werden soll – eine meiner Lieblingsübung in Seminaren, weil sie uns sozusagen einnordet, um beim Bild des Kompass‘ zu bleiben. In ein Elterngespräch gehe ich bspw. nicht nur mit dem Ziel danach etwas erreicht zu haben, sondern auch mit einer Botschaft à la „Gemeinsam schaffen wir das“, die über dem Gespräch schwebt und in jeder meiner Aussagen steckt.
Und jetzt nochmal zu den wichtigsten Eigenschaften der pädagogischen Haltung, Empathie, Professionalität, etc.. In wie weit kann man die eigentlich lernen? Für mich das Paradoxe: Um beispielsweise meine Professionalität, bzw. die Rollenklarheit, die mit Sicherheit eine wichtige Kompetenz für Fachkräfte ist, zu hinterfragen, muss ich ja erstmal an den Punkt der Bereitschaft kommen. Ich muss erkennen, dass ich an dieser Stelle einen Bedarf habe und DAS lässt sich nicht lernen. Das kommt aus einem selbst oder durch den Input von außen. Wenn ich erstmal bereit bin, HINZUSCHAUEN, dann geht es im Grunde nur noch um Training in Form von regelmäßiger Reflexion, denn dann ist alles erlernbar. Lebenslang.
Hast Du Lust Dich mit Deiner Haltung, mit Deinem inneren Kompass auseinanderzusetzen? Dann sei am 23. und 24.06. dabei, wenn wir uns nachmittags über Zoom zu einem Online Seminar treffen. Schreib mir dazu gerne eine Mail oder melde Dich per Social Media. Ich freue mich auf Dich.
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